SYNAGOGENBESUCH DER 10. KLASSEN
Synagogenbesuch der 10. Klassen
Geschichte wirkt fort
Die 10. Klassen der Städtischen Wirtschaftsschule besuchten zur 75. Wiederkehr der Reichspogromnacht die Amberger Synagoge
von Peter Geiger
Amberg. Geschichte, ist das nicht das Schulfach, das sich mit dem beschäftigt, was längst vorbei ist? Wird hier nicht für Schüler genau das thematisiert, was weder greif- noch erlebbar ist? Ja, kann man da auch als Lehrer nur kopfschüttelnd antworten, so ist das mit dem Fach Geschichte.
Ein Glück also, wenn in der eigenen Stadt ein Mann wie Dieter Dörner lebt. Einer, der mit der jüdischen Geschichte so vertraut ist, dass er nicht nur die großen Linien nachzuzeichnen vermag. Nicht nur akribisch zu erzählen weiß, wie das 19. Jahrhundert geprägt war von zwei gegenläufigen Entwicklungen: Auf der einen Seite schuf die, in Bayern übrigens besonders langsam verlaufende, rechtliche Emanzipation für die jüdische Bevölkerung Integrationschancen von bis zu diesem Zeitpunkt – Freizügigkeit wurde erst in den 1860er Jahren gewährt – unbekanntem Ausmaß. Gleichzeitig aber entwickelte sich aus dem religiös motivierten Antijudaismus beider Kirchen der noch viel fatalere Antisemitismus. Kam dieser doch als Wissenschaft verkleidet daher und behauptete, jüdisch sein, das sei nicht nur Ausdruck einer religiösen Orientierung und somit Ergebnis eines willentlichen Aktes, sondern: Es sei eine Kategorie des „Blutes“ und somit die Zugehörigkeit unwandelbar an den Körper gebunden.
Die mittelalterliche jüdische Gemeinde hatte in Amberg bis ins Jahr 1391 Bestand – nachfolgend sollte sich jüdisches Leben in der Oberpfalz an anderen Orten abspielen, beispielsweise im benachbarten Sulzbach, das sich zu einer der bedeutendsten Verlags-Städte in Europa entwickeln sollte.
Erst mit der Aufhebung des Niederlassungsverbotes im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zog jüdische Bevölkerung nach Amberg zu. Seit November 1894 konnte sich eine eigene „Israelitische Kultusgemeinde“ etablieren, deren Mitglieder vor allem Handel trieben, sei es als Inhaber von Schuh- oder Textilgeschäften, eines Kaufhauses oder einer Bank. Damit einher ging der Bau der Synagoge.
Dieter Dörner spricht frei, er hat lediglich einen Stichwortzettel als Mini-Skript vor sich liegen. Tatsächlich bewundernswert, welche Fülle an Details er zur Verfügung hat. Dass, da waren die Nazis schon an der Macht, im Hetzblatt „Stürmer“ Amberg keine Erwähnung findet, was antisemitische Aktionen anbelangt. Oder dass der hier tätige Religionslehrer Leopold Godlewsky es mit der Einhaltung der Glaubensregeln nie bierernst nahm: Verbrachte er nämlich seine Samstagabende gern in trauter Stammtischrunde. Und da mochte er auf den geliebten Tabakgenuss nicht verzichten. Um das für ihn als gläubigen Juden geltende „Feuerverbot“ zu meiden, ließ er sich die Zigarre anzünden. Von seinen Stammtischbrüdern. Dass darunter auch Braununiformierte waren und Träger der SA-Bluse, kümmerte ihn als bestens integrierten Amberger zunächst nicht weiter.
1938, im Zuge der Reichspogromnacht freilich, da änderte sich alles: Die Amberger Synagoge wurde zwar nicht angezündet, aber mit dem Inventar Schindluder getrieben. Und die ohnehin zahlenmäßig schon dezimierte Gemeinde aufgelöst.
Und der so liberale Religionslehrer Leopold Godlewsky, der am Schabbat immer seine Zigarren geraucht hatte, wurde ins Konzentrationslager nach Theresienstadt verschleppt, wo sich seine Spur verliert.
Eine gute Stunde erzählt Dieter Dörner hier in der kleinen Amberger Synagoge in der Salzgasse, und alle Schüler der 10. Klassen der Städtischen Wirtschaftsschule sind mucksmäuschenstill. Weil sie gebannt sind, wie lebendig er diese so wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde zu vermitteln vermag. 75 Jahre liegt sie nun zurück, die Reichspogromnacht hier in Amberg. Wenn man Dieter Dörner erzählen hört, weiß man, dass Geschichte fortzuwirken vermag. Im Guten wie im Schlechten.
O-Töne der Klasse 10 a:
Stefan Ehbauer: Dass der Herr Dörner uns freiwillig eineinhalb Stunden lang die Synagoge zeigt, finde ich bemerkenswert. Hut ab, was der alles weiß!
Marion Giehrl: Es waren zwar ziemlich viele Fakten, und die konnte ich mir beim besten Willen nicht alle auf einmal merken – aber es war wirklich interessant!
Nadine Scheffmann: Mir ging’s manchmal ein bisschen zu schnell – aber es ist sehr deutlich geworden, wieviel Herr Dörner weiß über jüdische Vergangenheit und auch, wie sehr es ihn beschäftigt! Genau!
Andreas Pröls: Ich fand’s gut, dass er auch über einzelne Details so genau Bescheid wusste!
Jenny Lorenz: Ich fand’s auch bemerkenswert, dass er auf jede unserer Fragen eine exakte Antwort liefern konnte. Respekt!
Tanja Obermeier: Vor allem – ohne dass er das studiert hat oder das an einer Schule gelernt hat, soviel zu wissen aus eigenem Antrieb – das ist schon super!
Sebastian Kunze: Dass Herr Dörner auch über einzelne Lebensläufe Bescheid weiß, fand ich faszinierend!
Nico Gehrke: Dass wir nicht nur über die große Geschichte etwas erfuhren, sondern auch, wie die sich in die einzelnen Lebensläufe hinein spiegelt – das war schon sehr, sehr interessant!
Hanna Fromm: Der Vortrag war schon sehr interessant – aber ich hätte gerne noch ein bisschen mehr gesehen von den Räumlichkeiten und von den Kultgegenständen!
Katja Nadler: Der Hinweis auf die Gemeinsamkeiten, die zwischen Judentum und Christentum bestehen, hat mir sehr geholfen, das Angesprochene noch besser zu verstehen.
Andreas Felber: Der Vortrag von Herrn Dörner war sehr detailreich und gut formuliert!