EXKURSION DER 10. KLASSEN

Lehrreiche Vormittage an außerschulischen Lernorten

Zweimal auf Exkursion unterwegs: Die 10. Klassen besuchten das Theaterstück „Elly und Ingo“ und ein Seminar über den NS-Propagandafilm „Jud Süß“

Um bessere Einblicke in die Geschichte des Nationalsozialismus zu erhalten, waren die 10. Klassen der Städtischen Wirtschaftsschule zuletzt zweimal auf Exkursion unterwegs:

Zunächst besuchten sie im Jugendzentrum Klärwerk eine Aufführung des Theaterstücks „Elly und Ingo“: Darin geht es um zwei Personen – um Elly, eine reale Figur aus der Geschichte und um Ingo, eine fiktive aus unserer Gegenwart.

Das Schicksal der Regensburger Lehrerin Elly Maldaque ist heute fast vergessen: Im Jahr 1930 – also noch drei Jahre vor dem Beginn der Nazi-Herrschaft in Deutschland – geriet sie in die Mühlen der Schulbehörden, sie verlor ihre Anstellung, wurde ins „Irrenhaus“ eingewiesen und starb dort schließlich unter bis heute ungeklärten Umständen.

Dieser zurückhaltenden, die leisen Töne bevorzugenden Figur stellt Autor und Regisseur Kurt Raster Ingo gegenüber: Ein junger Mann, der sich ständig am Rande des Nervenzusammenbruchs befindet. Ingo ist laut, aggressiv, fies. Ihn kümmert Ungerechtigkeit nur, wenn sie ihn als Opfer betrifft. Jedes Wort, das er ausstößt, ist eine Beleidigung. Jeder Satz eine Drohung. Ingo ist Skinhead.

Aus dem Zusammenspiel dieser beiden so unterschiedlichen Charaktere, die so gar nicht zusammenpassen wollen, entsteht für die Schüler die Basis für einen wertvollen Nachdenkprozess:

Wie soll ich auf erfahrenes Unrecht reagieren?
Ist der Mensch gut? Oder ist er ein Raubtier?
Wie gut kann ich in einer bösen Welt sein?
Und: Sind das Fragen, die nur Menschen früherer Zeiten betrafen? Oder gilt das auch heute?

Der Applaus am Ende ist groß, die Schüler sind nicht nur begeistert vom Stück, sondern auch von der schauspielerischen Leistung. Daniel Zimpel ist beängstigend „echt“ als brüllender Neonazi – und Stefanie Boettger überzeugt durch ihre leise Unerbittlichkeit. Ein eindrucksvoller Theatervormittag!

Eine Woche später: die Bayerische Schulkinowoche in Nürnberg. Auf dem Programm steht der NS-Propagandafilm „Jud Süß“ aus dem Jahr 1940. Ein so genannter Vorbehaltsfilm – d.h.: Er darf nicht in den normalen Verkauf oder Verleih – sondern kann nur im Rahmen eines Seminars gezeigt werden.

Dieses Seminar wird von dem Filmwissenschaftler Holger Twele geleitet: Und was von den Schülern verlangt wird, ist gar nicht so einfach. Zunächst muss man sich ja auf den Film einlassen: Eine Geschichte aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts – der württembergische Herzog engagiert, um seine kostspielige Hofhaltung auch in Zukunft finanzieren zu können, den jüdischen Berater und Finanzminister Süß Oppenheimer. Und war zunächst das Verhältnis zwischen Herrscher und Volk ein harmonisches – unter dem Einfluss und der Einflüsterungen Oppenheimers gerät die Situation in Schieflage.

Gleichzeitig ist man als Zuseher mit der Frage beschäftigt: Wo greift Regisseur Veit Harlan manipulativ zu? Welche politischen Inhalte jubelt er uns unter?

Holger Twele ruft in seiner Besprechung die wichtigsten Stationen des Films ins Gedächtnis zurück – und weist auf die Rolle unterschwelliger Einflussfaktoren wie Musik, Sprache, Mimik etc. hin.

Der Film gipfelt im Todesurteil gegen den Finanzberater Oppenheimer. Das Vergehen, dessen er schuldig gesprochen wird, besteht aber nicht in politischem Versagen: Es hat allein seinen Grund in einer „privaten“ Liebesgeschichte. Und diese wird stilisiert zur Rassenschande – was ganz auf der Linie der 1935 vom NS-Regime verkündeten „Nürnberger Gesetze“ liegt.

So also funktionierte das NS-Kino: Den Zuschauern wurde die politische Botschaft des verbrecherischen Regimes mit den Mitteln des Unterhaltungsfilms eingeflößt. Auch hier gilt: Ein lehrreicher Vormittag!